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LINDENSTRASSE / AZ-Interview mit dem 73jährigen Multitalent aus der sonntäglichen Endlos-TV-Serie:
Annemarie Wendl: Ich hasse es, wenn mich jemand mit "Else Kling" anspricht!

Die Jüngste ist Annemarie Wendl wahrlich nicht mehr. Kollegen schätzen sie auf 73 (ihr genaues Alter verrät sie nicht). Trotzdem denkt die Schauspielerin noch lange nicht ans Rentnerdasein: Fast jeden Sonntag ist sie als  Hausmeisterin Else Kling in der ARD-"Lindenstraße" zu sehen. Dadurch erlangte sie 1985 ihre heutige Bekanntheit. Doch schon lange vorher spielte Annemarie Wendl Theater-("Götz von Berlichingen”, "Maria Stuart”) und TV-Rollen ("Pumuckl", "Der Gerichtsvollzieher"). Die ausgebildete Schauspielerin und Sängerin präsentierte vor kurzem ihre erste CD und engagiert sich ehrenamtlich für wohltätige Zwecke.  Manuel Wauschkies traf Annemarie Wendl vor einer Theateraufführung in Wesendorf.

Was machen Sie sonntags um 18.40 Uhr?
Wendl: Ich sehe mir die aktuelle “Lindenstraße" an.

Sind Sie immer zufrieden, wenn Sie sich als Else Kling auf dem Bildschirm sehen?
Wendl: Mal gefällt‘s mir gut, mal nicht. Die Else ist ja nie eine Erfolgsfigur, da läßt sich schlecht sagen: "Das war gut" oder "hier war ich nicht in Form". Wenn ich eine Folge ansehe, mache ich mir klar, daß da nicht Annemarie Wendl im Treppenhaus wettert, sondern Else Kling. Ich kann mich und meine Rolle also schon gut auseinanderhalten.

Gibt es eine Eigenschaft von Else Kling, die Sie gern auch hätten?
Wendl: Nein. Ich habe auch nichts mit ihr gemeinsam - außer, daß ich wie sie schnell wütend werde. Aber ich habe weder Elses sozialen Status noch sonst irgendeine Eigenschaft von ihr.

Das "Lindenstraßen"Team dreht fast jeden Tag für die aktuellen Fernseh-Folgen. Was passiert eigentlich, wenn Sie plötzlich drei Wochen krank werden?
Wendl: Ich war in den vergangenen zwölf Jahren nicht einmal krank. Deshalb weiß ich nicht, was in so einem Fall passieren würde. Ein Double gibt es jedenfalls nicht.

Sie haben vor einiger Zeit eine CD aufgenommen.
Wendl: ja, einen Rock- und einen Techno-Titel. Aber beide wurden keine Hits. Die Hörer waren zwar begeistert. Aber wenn die Plattenfirma die Songs nicht richtig bewirbt, kann man das Ganze vergessen.

Warum haben Sie denn überhaupt mitgemacht?
Wendl: Ich wollte den jungen Produzenten und Musikern helfen, durch meine Berühmtheit Geld zu verdienen. Die Erfolgsaussichten waren zuerst auch gar nicht schlecht: Ich kann ganz gut singen, bin prominent und alt. Dazu die junge Band, das hätte schon gepaßt.

Hören Sie privat auch Techno und Rock?
Wendl: Nein, hauptsächlich Chopin.

Kommen manchmal Menschen auf Sie zu und sagen: "Mensch, Frau Kling, wenn Sie freundlicher zu Egon wären, käme er bestimmt zu Ihnen zurück"?
Wendl: Nein. So etwas hat noch niemand gesagt Aber viele sprechen mich auf der Straße mit "Frau Kling" an. Das hasse ich!

Apropos Egon: Wird es zwischen ihm und seiner Else denn irgendwann die große Versöhnung geben?
Wendl: Keine Ahnung. Und wenn ich es wüßte, dürfte ich es noch nicht verraten.

Wie lange wollen Sie noch in der "Lindenstraße" mitspielen?
Wendl: Das weiß ich nicht. Herr Geißendörfer (der Produzent, d. Red.) läßt mich ja nicht weg. Wenn er es täte, wäre er ja auch doof.

Wenn es doch einmal einen Else-Kling-Abgang für immer geben sollte: Wie könnte der Ihrer Meinung nach aussehen?
Wendl: Das darf ich auch nicht sagen. Ich habe schon Ideen dafür. Aber die bleiben vorerst mein Geheimnis.

Was halten Sie von der Idee, täglich eine Folge der "Lindenstraße" zu senden?
Wendl: Das wäre ja schrecklich! Diese täglichen Seifenopern sind für mich der Niedergang der Kultur. Jeden Tag eine Folge zu bringen, das kann doch nur schlecht sein  besonders für die Schauspieler. Die müßten ja dann jeden Tag vor der Kamera stehen. Nein, so etwas muß doch geradezu schiefgehen.

Wer oder was bringt Sie auf die Palme?
Wendl (mit todernstem Blick): Journalisten, die kurz vor Theaterauftritten noch Interviews von mir wollen. Ich habe gleich eine unglaublich schwere Rolle zu spielen - und das in meinem Alter! Wenn ich vorher noch von Journalisten gestört werde, ist das schrecklich!

Sonst bringt Sie nichts aus der Ruhe?
Wendl: Doch, Dummheit und Intoleranz zum Beispiel. Außerdem raste ich manchmal im Auto aus. Wenn ich den Fahrstil mancher Menschen beobachte, werde ich wild.

Wer sind Ihre größten Fans?
Wendl: Ich denke, Jugendliche und junge Erwachsene, so etwa zwischen 15 und 25 Jahren.

Warum gerade die?
Wendl: Weil ich mit den jungen Leuten in einem Punkt auf einer Wellenlänge liege: Ich lasse mir nicht alles bieten, und diese Haltung haben die meisten Jugendlichen auch. Deshalb bewundern mich offenbar viele.

Sie stehen fast jede Woche vor der Kamera, spielen Theater, machen Musik, pendeln dauernd zwischen Ihren Wohnungen in München und Köln hin und her. Warum machen Sie sich in Ihrem Alter noch so viel Streß?
Wendl: Da gibt es kein Warum. Man schliddert da einfach so hinein... Aber im Ernst: Ich wollte mir noch einmal beweisen, daß ich das kann.

Was ist Ihr Lebensmotto?
Wendl (ohne zu überlegen): Ich liebe das Leben, ich liebe die Liebe  und ich liebe die Menschen.

AZ

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